Daniel sein Blog

über KI, Arbeit & IT

Das Internet stirbt und wir sind LIVE dabei!

Während wir tippen, verliert irgendwo eine Webseite ihre Leser. KI-Antworten stehen über den Treffern, Stack Overflow bricht ein, soziale Netzwerke sprechen mit sich selbst in Form von Bots. Das alte Tauschgeschäft Aufmerksamkeit gegen Inhalte wankt und KI lernt immer öfter von KI mit spürbarem Qualitätsverlust. Der Text zeigt, wie aus Browsen Abfragen wird, was wir dabei verlieren und welche Auswege es noch geben könnte.

Wir sitzen gerade an unseren Bildschirmen und tippen unsere Fragen in ein Chatfenster, während irgendwo auf der Welt eine Webseite stirbt. Das klingt dramatisch, aber genau das passiert vermutlich gerade in diesem Moment. Die Art, wie wir Informationen suchen und finden, hat sich in den letzten zwei Jahren so rasant verändert, dass wir die Konsequenzen erst allmählich begreifen.

Stack Overflow und der Rückgang

Stack Overflow war jahrelang das digitale Mekka für Entwickler. Millionen von Programmierern suchten dort nach Lösungen, stellten Fragen und halfen sich gegenseitig. Die Plattform lebte von dieser Gemeinschaft, die ihr Wissen teilte und diskutierte. Doch seit Ende 2022 bricht der Traffic massiv ein. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, und der Grund liegt auf der Hand. Warum sollte ich mich durch Foreneinträge wühlen, verschiedene Antworten vergleichen und hoffen, dass die Lösung von 2019 noch funktioniert, wenn mir ein Chatbot in Sekunden genau den Code liefert, den ich brauche?

Die KI-Assistenten schreiben heute oft besseren, aktuelleren Code als die durchschnittliche Antwort auf Stack Overflow. Sie erklären Schritt für Schritt, passen sich meinem Kenntnisstand an und liefern Varianten, wenn die erste Lösung nicht passt. Kein Wunder also, dass Entwickler zunehmend das Chatfenster öffnen statt den Browser. Die Bequemlichkeit siegt, und ehrlich gesagt kann man es niemandem verübeln.

Aber Stack Overflow ist nur die Spitze des Eisbergs. Google selbst sägt am Ast, auf dem das gesamte Web-Ökosystem sitzt. Die Suchmaschine, die jahrzehntelang Webseiten-Betreiber dazu animierte, Inhalte zu erstellen und zu optimieren, spielt jetzt KI-generierte Antworten direkt über den Suchergebnissen aus. Die Webseiten selbst rutschen nach unten, werden zur zweiten Wahl. Wer klickt noch auf einen Link, wenn die Antwort schon oben steht? Das Versprechen war immer: Erstelle gute Inhalte, optimiere für Suchmaschinen, dann bekommst du Traffic und kannst damit Geld verdienen. Dieses Versprechen bröckelt gerade.

Bots in sozialen Netzwerken

Die Verschiebung betrifft auch Social Media, und hier wird es richtig absurd. Studien zeigen, dass mittlerweile etwa die Hälfte aller Inhalte auf großen Plattformen nicht mehr von Menschen stammt. Bots schreiben Beiträge, indem sie aktuelle Nachrichten sammeln und automatisch aufbereiten. Andere Bots kommentieren diese Beiträge. Wieder andere Bots erstellen die Bilder dazu. Das Ergebnis ist eine bizarre Simulation von sozialer Interaktion, bei der Maschinen mit Maschinen reden, während wir Menschen zusehen und vielleicht nicht einmal mehr merken, was echt ist und was nicht.

Ich erlebe das selbst auf LinkedIn. Schreibe ich einen Kommentar unter einem Beitrag, merke ich spätestens bei der dritten Antwort, dass ich mit einem Bot diskutiere. Die Formulierungen sind zu glatt, die Reaktionszeiten zu gleichmäßig, die Inhalte zu generisch. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn einem dämmert, dass man gerade seine Zeit mit einer Maschine verschwendet hat, die so tut, als würde sie sich für deine Meinung interessieren.

Das Tauschgeschäft des Webs gerät ins Wanken

Diese Entwicklung führt zu einem fundamentalen Problem, das die meisten Menschen noch gar nicht auf dem Schirm haben. Das Web, wie wir es kennen, basiert auf einem simplen Tauschgeschäft. Jemand erstellt Inhalte, stellt sie kostenlos zur Verfügung und verdient Geld durch Werbung oder andere Monetarisierungsmodelle. Die Währung ist Aufmerksamkeit, gemessen in Klicks, Verweildauer und Interaktionen. Google hat dieses System jahrelang befeuert mit seinen SEO-Richtlinien, die Webseiten-Betreiber dazu brachten, immer längere Texte zu schreiben, mehr Keywords einzubauen und Nutzer möglichst lange auf der Seite zu halten.

Wenn aber niemand mehr auf Webseiten klickt, weil die KI die Antworten direkt liefert, bricht dieses System zusammen. Warum sollte jemand noch einen ausführlichen Artikel über Kaffeezubereitung schreiben, wenn die Leser stattdessen einfach einen Chatbot fragen? Warum sollte ein Hobbygärtner seine Erfahrungen dokumentieren, wenn die Informationen in einem Chat-Interface verschwinden statt auf einer Webseite Traffic zu generieren? Die Motivation fällt weg, und mit ihr verschwindet der frische, aktuelle Content.

Datenverknappung, Rückkopplung & Qualitätsverlust

Hier beginnt eine gefährliche Spirale. KI-Systeme brauchen Trainingsdaten. Sie brauchen das Internet, um zu lernen und aktuelle Informationen zu liefern. Wenn aber niemand mehr neue Inhalte erstellt, weil es sich nicht mehr lohnt, veralten die Datenquellen. Die KI referenziert auf immer ältere Informationen, und irgendwann stimmen die Antworten nicht mehr mit der Realität überein. Noch problematischer wird es, wenn die KI mangels aktueller Quellen anfängt zu halluzinieren, also Informationen zu erfinden, die plausibel klingen, aber falsch sind.

Das zweite große Problem entsteht durch die Feedback-Schleife. Schon heute finden sich massenhaft KI-generierte Inhalte im Netz. Webseiten, die automatisch erstellt wurden, Artikel die von Sprachmodellen geschrieben wurden, Kommentare und Beiträge von Bots. Diese Inhalte sind öffentlich zugänglich, und neue KI-Systeme trainieren darauf. Die KI lernt also von sich selbst, ohne es zu wissen. Sie kann nicht unterscheiden, ob ein Text von einem Menschen stammt oder von einem anderen Sprachmodell generiert wurde.

Was passiert, wenn KI auf KI-Inhalte trainiert wird? Studien dazu zeigen bereits beunruhigende Ergebnisse. Die Qualität verschlechtert sich mit jeder Generation. Fehler verstärken sich, Halluzinationen werden zu scheinbaren Fakten, die Vielfalt der Antworten nimmt ab. Es ist, als würde man eine Fotokopie von einer Fotokopie machen, immer wieder, bis am Ende nur noch ein unscharfer grauer Fleck übrig bleibt. Die Informationsqualität im Netz könnte dadurch drastisch sinken, während gleichzeitig immer mehr Menschen sich ausschließlich auf KI-Assistenten verlassen.

Manche mögen einwenden, dass diese Entwicklung doch im Grunde positiv ist. Endlich müssen wir nicht mehr auf Seite drei der Google-Ergebnisse nach brauchbaren Informationen suchen. Wer erinnert sich nicht an die frustrierende Suche nach einer spezifischen Lösung, bei der man zehn verschiedene Webseiten öffnen musste, alle vollgestopft mit Werbung und irrelevantem Fülltext, nur um am Ende vielleicht die richtige Antwort zu finden? Die KI macht das effizienter, direkter, benutzerfreundlicher.

Dieser Einwand hat durchaus Berechtigung. Viele Menschen konnten die Google-Suche nie wirklich gut bedienen. Sie wussten nicht, wie man Suchanfragen präzise formuliert, wie man Quellen bewertet oder wie man sich durch die Trefferliste arbeitet. Für diese Menschen ist der direkte Dialog mit einem KI-Assistenten tatsächlich eine Verbesserung. Die Technologie passt sich dem Menschen an, nicht umgekehrt. Das ist grundsätzlich gut.

Preis der Bequemlichkeit

Trotzdem stellt sich die Frage, welchen Preis wir dafür zahlen. Das Internet war nie perfekt, aber es war dezentral, vielfältig und lebendig. Millionen von Menschen teilten ihr Wissen, ihre Erfahrungen, ihre Perspektiven auf eigenen Webseiten, in Foren, in Blogs. Diese Vielfalt stirbt gerade, weil sich die Informationssuche auf wenige große KI-Systeme konzentriert. Diese Systeme gehören wenigen Unternehmen, die kontrollieren, was wir sehen und wie wir es sehen. Die Dezentralität des Webs weicht einer neuen Form der Zentralisierung.

Die gesellschaftlichen Folgen sind schwer abzuschätzen, aber vermutlich erheblich. Wenn wir uns daran gewöhnen, dass eine KI uns fertige Antworten liefert, verlernen wir möglicherweise, selbst zu recherchieren, Quellen zu vergleichen und kritisch zu denken. Warum mehrere Perspektiven suchen, wenn die KI mir eine zusammenfassende Antwort gibt? Warum eine Quelle hinterfragen, wenn das System so selbstbewusst auftritt? Die Bequemlichkeit der KI-Assistenten könnte uns intellektuell träger machen.

Gleichzeitig verschwindet mit den klassischen Webseiten auch ein Stück digitaler Kultur. Die persönlichen Blogs, die Nischenforen, die kleinen Wissensdatenbanken, die Liebhaber-Seiten über obskure Themen – all das hatte einen eigenen Charakter, eine eigene Stimme. Die KI homogenisiert diese Vielfalt zu glatten, effizienten Antworten. Das ist praktisch, aber auch steril. Das Internet verliert damit einen Teil seiner Persönlichkeit.

Werbung und Vergütung

Die Werbeindustrie steht vor einem Scherbenhaufen. Das gesamte Geschäftsmodell des digitalen Marketings basierte darauf, dass Menschen Webseiten besuchen, dort Zeit verbringen und dabei Werbung sehen. Wenn die Zukunft in Chat-Interfaces liegt, in denen KI-Assistenten Antworten liefern, wie funktioniert dann Werbung? Werden die KI-Systeme Produktplatzierungen in ihre Antworten einbauen? Werden sie uns subtil zu bestimmten Kaufentscheidungen lenken? Die Transparenz, die es zumindest theoretisch bei klassischer Online-Werbung gab, könnte vollständig verschwinden.

Content-Creator, Blogger und Webseiten-Betreiber, die jahrelang Arbeit in ihre Präsenzen gesteckt haben, sehen sich plötzlich überflüssig. Ihre Inhalte werden von KI-Systemen aufgesaugt, verarbeitet und ohne direkte Verlinkung oder Vergütung ausgegeben. Das wirft auch rechtliche Fragen auf. Wer profitiert von dem Wissen, das Menschen jahrelang zusammengetragen haben? Die Unternehmen, die die KI-Systeme betreiben. Wer geht leer aus? Die ursprünglichen Ersteller der Inhalte.

Dieser Blog hier ist so ein kleines Projekt, das aus Nischenliebe entsteht. Keine Werbung, keine Ads. Ich muss nicht davon leben, aber ich verstehe diejenigen, die es müssen. Für sie bricht gerade eine Existenzgrundlage weg, und es gibt noch keine Antwort darauf, wie es weitergehen soll. Die Motivation, weiter zu schreiben, zu dokumentieren, zu teilen, schwindet mit jedem Klick, der nicht mehr stattfindet.

Vom Browsen zum Abfragen

Es zeichnet sich ab, dass wir in eine neue Ära eintreten, in der das Verhältnis zwischen Mensch und Information grundlegend neu definiert wird. Das Internet vor 2024 war ein Raum, den wir aktiv durchsuchten, in dem wir uns bewegten, stöberten, entdeckten. Das Internet nach 2024 könnte ein Raum werden, in dem wir passive Empfänger sind, die einer KI Fragen stellen und fertige Antworten bekommen. Aus Browsing wird Querying, aus Entdeckung wird Abfrage.

Diese Verschiebung hat Gewinner und Verlierer.

  • Die Gewinner sind zunächst die Nutzer, die schneller und bequemer Informationen bekommen.
  • Auch die Unternehmen, die die großen KI-Systeme betreiben, gehören zu den Gewinnern. Sie werden zu Gatekeepern des gesamten menschlichen Wissens.
  • Die Verlierer sind die unzähligen kleinen und mittleren Webseiten-Betreiber, die Content-Creator, die Nischenforen, die persönlichen Blogs. Sie verlieren Traffic, Reichweite und damit ihre Existenzgrundlage.

Langfristig könnten wir aber alle zu Verlierern werden, wenn die Wissensvielfalt schwindet und die Qualität der Informationen abnimmt. Eine gesunde Informationsökologie braucht viele verschiedene Quellen, braucht Menschen, die aus eigenem Antrieb Wissen teilen, braucht Diskussionen und unterschiedliche Perspektiven. Wenn all das in den Datensätzen einiger weniger KI-Systeme verschwindet, verarmt unser kollektives Wissen.

Die Frage ist nicht, ob sich das Internet verändert. Das tut es bereits, unwiderruflich und schnell! Die Frage ist, wie wir mit dieser Veränderung umgehen. Akzeptieren wir einfach, dass das dezentrale, vielfältige Web stirbt und einer neuen Ordnung weicht? Oder finden wir Wege, die Vorteile der KI zu nutzen, ohne die Stärken des klassischen Internets zu opfern?

Möglicherweise brauchen wir neue Modelle, die Menschen dafür belohnen, Wissen zu teilen, auch wenn es nicht mehr direkt über Webseitenklicks passiert.

  • Vielleicht müssen die Betreiber von KI-Systemen verpflichtet werden, Quellen transparent zu machen und Content-Ersteller zu vergüten.
  • Vielleicht braucht es auch ein neues Bewusstsein bei den Nutzern, dass Bequemlichkeit nicht das einzige Kriterium sein sollte, nach dem wir unsere Werkzeuge auswählen.

Ausblick

So wie das Internet bis 2024 funktionierte, wird es nicht weitergehen. Die Mechanismen, die es über Jahrzehnte geformt haben, brechen zusammen. Die meisten Menschen werden vermutlich tatsächlich die meiste Zeit in Chat-Interfaces verbringen statt in klassischen Browsern. Webseiten werden zur Nische, zu einem Relikt für Enthusiasten und Nostalgiker. Die Frage ist nur, was wir dabei verlieren und ob wir bereit sind, diesen Preis zu zahlen.

Das Sterben des Internets ist kein plötzlicher Tod, sondern ein langsamer Prozess.

  • Täglich verschwindet ein weiteres Forum, weil es keinen Traffic mehr gibt.
  • Täglich gibt ein weiterer Blogger auf, weil niemand mehr liest.
  • Täglich trainiert eine KI auf Inhalten, die von anderen KIs erstellt wurden, und die Qualität sinkt ein weiteres Stück.

Wir sind nicht nur Zeugen dieser Entwicklung, wir sind auch ihre Treiber. Jedes Mal, wenn wir den Chatbot fragen statt zu googeln, jedes Mal, wenn wir die KI-Antwort akzeptieren statt selbst zu recherchieren, beschleunigen wir den Prozess.

Die Verantwortung liegt nicht allein bei uns als Individuen.

  • Die großen Tech-Konzerne, die diese Technologien entwickeln und ausrollen, haben eine Verantwortung dafür, wie sie das Informationsökosystem gestalten.
  • Regulierungsbehörden müssen Regeln finden, die ermöglichen, ohne die Vielfalt zu zerstören.
  • Content-Ersteller müssen neue Wege finden, ihr Wissen zu teilen und davon zu leben.

Es braucht einen gesellschaftlichen Dialog darüber, wie wir die Zukunft der Information gestalten wollen.

Chance zur Erneuerung

Vielleicht ist das Sterben des alten Internets auch eine Chance. Eine Chance, die Probleme zu beheben, die das Web seit Jahren plagen: die Überflutung mit minderwertigen Inhalten, die nur für Suchmaschinen geschrieben wurden. Die endlosen Seiten mit Fülltext, bevor endlich die gesuchte Information kommt. Die Ausbeutung der Nutzeraufmerksamkeit durch aggressive Werbung und manipulative Design-Muster. Eine Chance, ein neues System zu bauen, das effizienter, zugänglicher und benutzerfreundlicher ist.

Doch diese Chance nutzen wir nur, wenn wir die Entwicklung aktiv gestalten statt sie einfach geschehen zu lassen. Wenn wir kritisch bleiben, wenn wir Qualität einfordern, wenn wir darauf achten, dass Wissen geteilt und nicht monopolisiert wird. Die Werkzeuge verändern sich, aber die Grundprinzipien sollten bleiben:

  • Zugang zu Wissen für alle
  • Vielfalt der Perspektiven
  • Transparenz der Quellen
  • Belohnung für die Ersteller von Inhalten

Das Internet stirbt nicht wirklich. Es verwandelt sich in etwas anderes, etwas das wir heute erst in Umrissen erkennen können. Ob diese Verwandlung zum Besseren oder Schlechteren führt, hängt von den Entscheidungen ab, die wir jetzt treffen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob wir klug genug sind, die Vorteile der neuen Technologien zu nutzen, ohne die Werte des alten Webs zu opfern. Oder ob wir in zwanzig Jahren zurückblicken und uns fragen, warum wir nicht eingegriffen haben, als noch Zeit dazu war.